Das Notgeld der Stadt Rheydt, mit Odenkirchen, Giesenkirchen und Wickrath

Ein Auszug aus dem Buch Rheydter Stadtgeschichten von Hans-Jürgen Johnen Seite 137-142

Im ersten Teil wird der Begriff Notgeld erklärt, und im zweiten die einzelnen Ausgaben der Geldscheine der Stadt Rheydt mit Odenkirchen, Giesenkirchen und Wickrath aufgeführt, mit einer Vielzahl von Abbildungen der einzelnen Scheine.

Im Stadtarchiv Mönchengladbach fanden sich leider keine Unterlagen, welche über die Genehmigung und Ausgaben der einzelnen Scheine Auskunft hätten geben können. Daher wird im Folgenden allgemein aus der Fachliteratur über das Notgeld berichtet.

Notgeldscheine oder Münzen übernehmen die Funktion eines Zahlungsmittels, wenn ein Staat nicht mehr über genügend Münzen oder Geldscheine verfügt. Diese wurden von kommunalen Behörden oder Privatleuten mit Erlaubnis oder Duldung des Staats herausgegeben. Oft wurde Notgeld entweder aus echtem Bedarf, Geschäftemacherei oder auch gegen den Willen des Staates hergestellt. Es besaß jedoch immer nur eine zeitlich und meist nur regional begrenzte Gültigkeit.

Die Ausgabe erstreckte sich über den Zeitraum von 1914 bis 1924. (1)

Das Kriegsgeld von 1914

Die Siegesgewissheit im Inneren des Deutschen Reiches ließ damals das Vertrauen ins Geld noch nicht schwinden, sodass nur wenig Münzen von der Bevölkerung gehamstert wurden. Anders war es im Elsass und in Straßburg, wo große Mengen Kleingeld gehamstert wurden, um bei Kriegsausbruch flüssig zu sein. Dasselbe gab es im oberschlesischen Industriegebiet und im von den Russen bedrohten Ost- und Westpreußen, wo das Metallgeld weggeschafft wurde, damit es dem Feind nicht in die Hände fiel. Zunächst hatten die Ausgeber aus Angst vor
dem Staat und um keinen Anstoß zu erregen, das Wort „Notgeld“ vermieden, und stattdessen die Begriffe „Gutschein“, „Gut für“, „Anweisung“ oder „ Wechselschein“ gebraucht. Die ersten Ausgaben stammten vom 1. August 1914, dem Tag der deutschen Kriegserklärung an Russland.

Die ersten Scheine waren relativ primitiv hergestellt, teils handgeschrieben oder handschriftlich unterzeichnet (siehe hierzu die Scheine von Giesenkirchen), mit Farb- oder Prägestempel und ohne patriotische Sprüche, die später allseits üblich wurden.

Nach Auslaufen der ersten Notgeldperiode, die sich bis ins Jahr 1915 hinzog, begann auch
das Sammeln der Scheine in der Bevölkerung. (2)

Das Kleingeld ab Dezember 1916

Manche Sammler erhielten von den Gemeinden statt der 1914er Scheine deren neues Notgeld. Diese frühen Kleingeldscheine, welche durch Erlass der Regierung vom 15. Dezember 1916 ausgegeben werden durften, galten zunächst als nicht sammelwürdig. Dies änderte sich, als sie schmuckvoller und die Zahl der Ausgabestellen zahlreicher wurden. Diese gingen in die Gruppe der „Serienscheine“ über, ließen sich aber nicht von den „Verkehrsausgaben“
trennen, da man auch Serienscheine als Verkehrsgeld benutzte.

Die Kleingeldscheine lauteten zunächst auf Pfennigbeträge und entstanden aus Mangel an echten Münzen, da der Silberwert bei der halben Mark und den Markstücken den Nennwert überstieg. Außerdem wurde Kupfer und Nickel der Pfennigmünzen als kriegswichtiges Metall benötigt.

In einem Regierungsaufruf hieß es: „Wer sein Kleingeld sinnlos zurückhält, verhindert die rechtzeitige Auszahlung der Löhne und Gehälter, bringt Handel und Wandel ins Stocken und bewirkt letzten Endes Stockungen in der Herstellung von Rüstung und Munition, schwächt die Front und hilft dem Feind zum Siegen. Kleingeldhamsterei ist Landesverrat.“ So hieß es in einem Aufruf von 1918.

Eine Verfügung des Ministeriums für Handel und Gewerbe vom 22.11.1917 zeigt, dass es damals schon viele Sammler gab: Es wurde wegen Kleingeldmangels verboten, umlaufendes Notgeld zu Sammlerzwecken herauszugeben.

Unübersichtlich wurde es 1920, als der Metallwert der Kupferpfennige den Kurswert überstieg. Es entstand damals Notgeld zu ein oder zwei Pfennig, welches aber nur wenige Gemeinden oder der örtliche Kleinhandel ausgaben. Es existierten auf Karton- oder Papierstücke gedruckte „Gastwirt und Bäckerpfennige“ sowie Ausgaben von Druckereien, Drogerien, Brauereien oder der Kantine des Telegrafenamtes. Es entstand ein gewaltiger Wirrwarr, da Ende 1918 auch noch eine dritte Notgeld-Ausgabewelle kam, die des Großgelds bis zu einhundert Mark. (3)

Das Großgeld von 1918

Erstmalig in der bisherigen Notgeldgeschichte wurde 1918 die Ausgabe von Scheinen von der Reichsbank gewünscht. Sie erklärte sich dazu bereit, die Hälfte der Druckkosten und der Fälschungsschäden zu übernehmen. Neue, eigene 50MarkScheine waren so wenig fälschungssicher, dass man sie kurz darauf wieder einziehen wollte.

Zunächst war angedacht, die Notausgaben auf die Werte von fünf, zehn und zwanzig Mark
zu beschränken. Die Umlaufzeit sollte ein viertel Jahr dauern.

Doch die politischen Umstände verhinderten dies; die Zahl der Ausgabestellen stieg an und
der Wert der Scheine stieg auf bis zu hundert Mark.

Ungültige Kleingeldscheine konnte der Sammler natürlich beiseitelegen, jedoch waren fünfzig Mark viel Geld, welches man nicht zurückhalten konnte, erst recht nicht von verschiedenen Orten. Alte abgelieferte Scheine wurden vernichtet. Es gab auch Kommunen, welche ihr Geld nicht verbrannten, sondern entwerteten und in den Handel gaben. Außerdem hat es in den Jahren 1919 bis Ende 1922 immer wieder Orte und Zeitabschnitte gegeben, welche ohne Notgeld auskamen. (4)

Das Geld der Inflation

Am 17. Juli 1922 wurde das Seriengeld verboten, was aber nicht das Ende des Notgelds bedeutete, sondern den Beginn der größten Druckaktion von Geldscheinen aller Zeiten. Man schätzt die Zahl der Inflationsscheine auf 70.000 bis 80.000. Es gab kein Land, keinen Regierungsbezirk, keinen Kreis, keine Stadt und Gemeinde, keine Bank und keine größere Firma, die nicht das Inflationsgeld ausgab. Hinzu kamen noch die verschiedenen Reichsbankdirektionen
sowie die Post.

Es begann mit Werten bis zu 1.000 Mark (Ende Juli 1922), steigerte sich jedoch Anfang 1923 auf bis zu 50.000MarkScheinen. Damit man überhaupt rechnen und buchen konnte (allein eine Milliarde hat neun Nullen!), führte man den Begriff der „TMark“ ein, was bedeutete, dass die letzten drei Nullen entfielen.

Dargestellt wird an dieser Stelle, welche Ware für wie viel, wenn überhaupt, erstanden werden
konnte:

in Mark (5)Febr.
1914
Okt.
1914
Okt.
1915
Febr.
1916
Okt.
1916
Okt.
1917
Juli
1918
Juli
1919
Rindfleisch 1 kg1,801,702,322,754,503,653,704,68
Butter 1 kg2,852,824,574,006,004,804,998,00
Milch 1 l0,230,210,220,250,300,300,380,55
Brot 1 kg0,270,300,380,380,400,380,450,53
Herrenstiefel45,00200,00
Herrenanzug357,00550,00
in Mark (6)Febr.
1920
Okt.
1921
Okt.
1922
Febr.
1923
Juni
1923
Mitte
Aug.
1923
Mitte
Sept.
1923
Ende
Okt.
1923
Ende
Rindfleisch 1 kg5,2026,00409,957.80021.000840.00046 Mio.3 Mrd.
Butter 1 kg16,4050,001.006,1411.60027.0002,8 Mio.100 Mio.12 Mrd.
Milch 1 l1,102,8538,403602.120116.8008 Mio.0,2 Mrd.
Brot 1 kg Mrd.1,123,5017,001.400200.0002,16 Mio.0,68 Mrd.
Herrenstiefel6.700,0015.500400.0001.050 Mio.230 Mrd.
Herrenanzug19.500,0049.000800.0001.750 Mio.645 Mrd.

Ab dem 1. November 1923 gab es schon Notgeldscheine in Höhe von einer Billion. Mitte November wurden in einigen Städten die höchsten Summen überhaupt auf Geldscheinen gedruckt. Dies waren Werte von 100 und 200 Billionen.

Am 10. Februar 1924, als es schon wertbeständiges Notgeld und die Rentenmark gab (eine Rentenmark = eine Goldmark), brachte die Reichsbank einen 50- und einen 100-Billionen-Schein heraus, der gleichwertig als 100-Mark-Schein galt. Diese Noten der Reichsbank sind als normales Geld und nicht mehr als Notgeld anzusehen.

Ende 1923 wurden die Löhne dreimal wöchentlich ausgezahlt, da das Geld so rasend schnell wertlos wurde. Eine 2-Pfennig-Münze aus Kupfer hatte einen Metallwert von 62.500 Mark und das Briefporto kostete damals 10 Milliarden.

Da immer wieder neues Geld gedruckt werden musste und die Reichsbank mit der Lieferung nicht nachkam, beschäftigte sie 133 private Druckereien. Wegen des Zeitmangels wurde auf künstlerische Schönheit kein Wert mehr gelegt. Oft wurden ältere Scheine mit neuen Summen überdruckt. Da private Firmen eigenes Geld ausgaben, schätzte man die Zahl der gedruckten Scheine auf ca. 15 Milliarden. Nach Ende der Inflation wurden diese als Altpapier nach Gewicht verkauft. (7)

Das wertbeständige Notgeld

Schlussendlich wurde die Ausgabe von Notgeld wegen Missbrauchs verboten, da das Seriengeld von vielen Gemeinden mit hohen Aufpreisen an Sammler verkauft wurde. Es erschienen Schwindelausgaben im Namen von Städten und Orten, welche nicht existierten, Spekulationsscheine von Kulturvereinen, Erholungsheimen oder Ausstellungsveranstaltern wurden gedruckt. Jetzt benötigte man jedoch größte Mengen an neuem Notgeld, da die
Inflation ausbrach.

Das Misstrauen gegen Papiergeld wurde in der Bevölkerung immer stärker, da es sich wirklich nur um bedrucktes Papier handelte. Da man sich nicht anders zu helfen wusste, gab als erste die Oldenburgische Staatsbank am 1. November 1922 Sachwertgutscheine über 150 kg Roggen aus. Absicht war es, Sachwerte wie Getreide, Speck, Zucker, Holz oder Kohle als beständiges Geld herauszugeben. Es gab einen Fall, wo von der Stadt Pössneck beispielsweise Leder als Ware, wie Lederabsätze und Schuhsohlen, mit Werten wie 25 und 50 Goldpfennigen oder 1,50 Goldmark gekennzeichnet wurden. Teile dieser Scheine gab es vor der Stabilisierung durch die Rentenmark (am 1. November 1923), aber den größeren Teil danach, da noch nicht genügend Rentenmarkscheine zur Verfügung standen.

In der letzten Notgeldperiode wurden die Scheine im Lauf des Jahres 1924 für ungültig erklärt und daher von den Ausgabestellen eingezogen. Die Reichsbank selbst nahm dieses wertbeständige Notgeld nie an.

Auch Bielefelder Stoffgeld, womit die Stadt unter Geldscheinsammlern weltbekannt wurde und daraus beste Geschäfte machte, gab es als Goldpfennig, Goldmark und Dollar: in Leinen, Seide oder Samt, viereckig und oval, mit glatten, gezackten Rändern oder mit Borte (siehe Abbildung 1 und 2). Von diesem textilen und wertbeständigen Geld gibt es Scheine bis zu hundert Goldmark. Der Stadt Bielefeld gelang es, selbst dem wertbeständigen Geld einen Charakter von Serienscheinen in edelster Ausführung zu geben. (8)

Abb. 1 Vorder- und Rückseite ( Abb. 1 Druck: F. Gundlach A.G., Bielefeld aus dem Bestand von HansJürgen Johnen (privat) )

Serienscheine und das Sammelfieber der frühen Zwanziger Jahre

Schon 1918 kamen einige Städte und Gemeinden auf die Idee, Kleingeldscheine nicht nur für die Behebung des Kleingeldmangels herzustellen, sondern auch für die Sammler dieser Scheine. Es war ihnen bewusst, dass die an Sammler verkauften Scheine nicht wieder eingelöst würden. Viele Gemeinden verkauften die Scheine nur mit Aufgeld, so zum Beispiel nicht zum Nennwert von fünfzig Pfennig, sondern zu zwei Mark.

Hier ist es jetzt an der Zeit, den Begriff Serienschein zu erklären. Darunter ist die Ausgabe eines Geldscheins zum Sammeln einer Serie zu verstehen, wovon bei einem einzelnen Wert mehrere Scheine mit verschiedenen Motiven gedruckt wurde. Die Bilder erzählten oft eine Geschichte, daher gab es Serien von 25-oder 50-Pfennig-Scheinen mit vier bis zu zwölf Scheinen, die man mit Banderole oder geschlossen in einer Tüte erwarb.

Abb. 36 Vorderseite Abb. 37 Rückseite Druck: Heinrich Deussen & Co., Rheydt aus dem Besitz von HansJürgen
Johnen (privat)

Literatur- und Quellennachweis:
1 Aus: „Notgeld“, herausgegeben von Eva und Ulrich Klever im Wilhelm Heyne Verlag München,
Heyne Sammlerbibliothek Band 8, 1980, Das deutsche Papiernotgeld, S. 8
2 ebd., S. 9
3 ebd., S. 11 12
4 ebd., S. 15
5 A. Pick, Papiergeld, Ein Brevier für Sammler, 1980, FalkenVerlag
Niedernhausen/Ts., S. 541, Preise
wichtiger Lebensmittel und Bedarfsgegenstände 1914 – 1919, Tabelle 10
6 ebd., S. 542, Preise wichtiger Lebensmittel und Bedarfsgegenstände 1920 – 1924, Tabelle 11
7 Aus: „Notgeld“, herausgegeben von Eva und Ulrich Klever im Wilhelm Heyne Verlag München,
Heyne Sammlerbibliothek Band 8, 1980, Das Kriegsgeld von 1914, S. 16
8 ebd., S. 17 und 18
9 ebd., S. 19 23

Abbildungsnachweis:
Abb. 1 Druck: F. Gundlach A.G., Bielefeld aus dem Bestand von Hans-Jürgen Johnen (privat)

Abb. 36 Vorderseite Abb. 37 Rückseite Druck: Heinrich Deussen & Co., Rheydt aus dem Besitz von HansJürgen
Johnen (privat)

Beitragsbild:

Druck: Heinrich Deussen & Co., Rheydt aus dem Bestand von Hans-Jürgen Johnen (privat)

Ein Auszug aus dem Buch Rheydter Stadtgeschichten von Hans-Jürgen Johnen Seite 137-142

Hans-Jürgen Johnen

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